Haager Konferenzen

Haager Konferenzen
I
Haager Konferenzen
 
In der Hochphase des Imperialismus, in der die Großmächte damit beschäftigt waren, ihren Kolonialbesitz ständig zu erweitern, schlagkräftige Kriegsflotten aufzubauen und ihre Heeresrüstungen noch zu verbessern, gab es bereits eine internationale Friedensbewegung, die das Ziel verfolgte, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden in vielen Staaten Friedensgesellschaften, so etwa die britische »Peace Society« (1816), die »American Peace Society« (1828), die »Ligue internationale de la Paix et de la Liberté« in Frankreich (1867) und die »Österreichische Friedensgesellschaft«, 1891 gegründet von Bertha von Suttner (1834-1914). Suttners Roman »Die Waffen nieder!« (1889) erreichte weite Bevölkerungskreise.
 
In Deutschland hatte der Historiker Ludwig Quidde (1858-1941) mit seiner Schrift »Caligula« den preußisch-wilhelminischen Militarismus der Lächerlichkeit preisgegeben. Suttner erhielt 1905 den Friedensnobelpreis, dessen Stiftung sie selbst angeregt hatte. Quidde erhielt den Preis 1927, zusammen mit dem Franzosen Ferdinand Buisson (1841-1932), dem Mitbegründer der »Ligue des Droits de l'Homme«. Die pazifistische Bewegung konnte gegen Ende des Jahrhunderts besonders in den angelsächsischen Ländern die Politik der Regierungen beeinflussen.
 
Zar Nikolaus II. richtete im August 1898 ein Friedensmanifest an die Völker der Welt und rief zu einer internationalen Abrüstungskonferenz auf. Die russische Initiative fand ein unterschiedliches Echo. Mit Begeisterung begrüßte die internationale Friedensbewegung den Schritt des Zaren als ermutigendes Zeichen für eine neue Denkweise. Mit Argwohn und Skepsis reagierte dagegen die Mehrheit der Staatsmänner in Europa und Amerika und bewertete den Vorschlag des Zaren als Schachzug, um der russischen Wirtschaft Zeit zum Aufholen des beträchtlichen Rückstandes gegenüber den west- und mitteleuropäischen Nationen zu verschaffen.
 
Dennoch kam am 18. Mai 1899 im niederländischen Den Haag die Erste Friedenskonferenz zustande, an der insgesamt 26 Staaten teilnahmen, außer sämtlichen europäischen Nationen auch die USA, China, Japan, Siam und Mexiko. Auf allgemeine Ablehnung stieß der russische Vorschlag eines begrenzten Rüstungsmoratoriums. Am Ende wurde lediglich die unverbindliche Erklärung verabschiedet, dass eine Begrenzung militärischer Rüstungen durchaus erwünscht wäre. Auch der Vorschlag zur Errichtung eines obligatorischen Schiedsgerichts bei zwischenstaatlichen Streitfragen fand keine einhellige Zustimmung. Man beschloss zwar die Einrichtung einer neutralen Schiedsstelle, des Haager Schiedshofes, und stellte eine Liste von geeigneten Schiedsrichtern in Aussicht, überließ es dann jedoch den einzelnen Staaten, nach ihrem Gutdünken die Schiedstelle anzurufen. Dennoch wurden die verabschiedeten Abkommen, insbesondere die Konventionen über die Humanisierung der Kriegführung, als ermutigender Schritt zu besseren zwischenstaatlichen Beziehungen begrüßt.
 
Diese Abkommen wurden auf der Zweiten Haager Friedenskonferenz 1907 ergänzt. Angeregt vom US-Präsidenten Theodore Roose velt nahmen 44 Nationen an ihr teil. Bereits in der Vorbereitungsphase scheiterte der britische Versuch, den Fragenkomplex der Rüstungsbegrenzung auf die Tagesordnung zu setzen, am hartnäckigen Widerstand der deutschen und österreichischen Delegierten; erstere sahen in dem britischen Vorgehen den Versuch, die unbegrenzte deutsche Flottenrüstung zu stören.
 
Die Einrichtung eines Ständigen Gerichtshofes mit bindenden Urteilen fand erneut keine allgemeine Zustimmung, da insbesondere die deutschen Teilnehmer sich wie schon auf der Ersten Konferenz ablehnend verhielten. In der Schlussakte vom 18. Oktober 1907 wurden jedoch 13 Abkommen unterzeichnet, von denen die Vereinbarungen über die Führung des Landkriegs (»Haager Landkriegsordnung«), über Rechte und Pflichten der Neutralen sowie über spezifizierte Regeln des Seekrieges einen deutlichen Fortschritt gegenüber den Ergebnissen von 1899 darstellten. Von der Friedensbewegung wurde die mit hohen Erwartungen beobachtete Konferenz jedoch als Misserfolg gewertet. Der Krieg wurde völkerrechtlich nicht geächtet; immerhin wurde er aber in seinen Mitteln eingeschränkt.
II
Haager Konferẹnzen,
 
Verhandlungen in Den Haag zwischen den Siegermächten des Ersten Weltkriegs (v. a. Frankreich und Großbritannien) und Deutschland über die Regelung der Reparationsfrage im Rahmen des Youngplanes, der den Dawesplan ablösen sollte. Auf der ersten Konferenz (6. 8.-31. 8. 1929) wurden die allgemeinpolitischen Voraussetzungen für eine Einigung in den Sachfragen geschaffen, auf der zweiten (3. 1.-20. 1. 1930) die besonderen finanzpolitischen Bedingungen für die Annahme des Youngplanes ausgehandelt. Im Hinblick auf seine Wünsche zur Revision des Versailler Vertrags erreichte Deutschland (Außenminister G. Stresemann) auf der 1. Haager Konferenz den vorzeitigen Abzug der alliierten Truppen aus dem Rheinland (am 30. 6. 1930 beendet). Auf der 2. Haager Konferenz einigten sich die Teilnehmer über die Höhe der finanziellen Verpflichtungen Deutschlands und ihre Dauer.

Universal-Lexikon. 2012.

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